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In einer ordentlichen Anwaltskanzlei werden die Informationen zu jeder Akte seit jeher sorgfältig festgehalten. Dort finden sich die Adressen der Beteiligten, der wesentliche Teil der Mandantenbuchhaltung und natürlich alle weiteren Daten, die sich aus den gesammelten Schriftstücken ergeben. Das wichtigste ist im „Handaktenblatt“ zusammengefasst. Der Einstieg in diese „Datensammlung“ ist das traditionelle Prozessregister. Gern übersehen wird der andere mögliche Einstieg über die Finanzbuchhaltung, die der Anwalt für steuerliche Zwecke vorzulegen hat: In ihr sind die in Geldflüssen der Kanzlei ausgedrückten Geschäftsvorfälle (gerade auch die mit Aktenbezug) abgebildet und für den Kundigen ablesbar. Der Anwalt kommt mit den traditionellen Aufzeichnungen gut zurecht. Die wenn auch nur scheinbar geheimnisvolle Finanzbuchhaltung verbirgt ihm eher Sachverhalte als dass er sie erkennt. Derzeit kann sich der Anwalt in aller Regel die Daten des Büros mit diesen Registern erschließen:
Besondere Daten, die insbesondere im Interesse einer ordnungsgemäßen Rechtspflege an hervorgehobener Stelle beachtet werden müssen, werden auch außerhalb der Akte noch einmal gesondert aufgeschrieben und beobachtet. Der Fristenkalender ist so eine besondere Datensammlung, die bezogen auf den Zweck über die Bezeichnung oder die Prozessregisternummer Zugang zur Akte ermöglicht.
Die Daten der Finanzbuchhaltung wurden bis vor nicht all zu langer Zeit von Hand im „amerikanischen Journal“ aufgeschrieben. Der zunehmende Einsatz von EDV auch im Anwaltsbüro hat aber dazu geführt, dass heute häufig neben den Daten der Finanzbuchhaltung (im System des Steuerberaters) insbesondere Adressdaten und das Prozessregister mehr oder minder komfortabel im Computer zur Verfügung stehen. Noch stehen diese Daten auch in der EDV nicht in jeder denkbaren Verbindung zur Verfügung.
In einer Reihe von Wirtschaftszweigen, in besonders augenfälliger Weise in der Automobilindustrie, hat die systematische Datenauswertung mit Hilfe der EDV zu einer deutlichen Veränderung des Produktionsprozesses und dabei insbesondere zu einer erheblichen Beschleunigung und Vereinfachung geführt. Das Ergebnis ist auch, dass wesentlich billiger als bisher produziert werden kann.
Dieses Ergebnis, schneller, billiger und besser produzieren zu können treibt eine ganze Reihe von Anwälten um. Wie kann es also gelingen, die ohnehin vorhandenen Daten, die zwangsläufig bei der weiteren Technisierung sowieso im Computer landen, so zu strukturieren und aufzubereiten, dass sie nicht nur für die einzelne Akte, den einzelnen Geschäftsvorfall in der Finanzbuchhaltung sondern auch für die Verbesserung der Arbeitsabläufe und letztlich zur Verbesserung der Arbeitsleistung des Büros und damit im Ergebnis zu einer Steigerung der Produktivität und damit vielleicht auch des Ertrages der Anwaltskanzlei beitragen können.
Auch die Berufstätigkeit eines Anwalts hat als elementares Ziel den wirtschaftlichen Ertrag aus der Arbeit. Aber nicht allein schnödes Profitstreben drängt uns, zunächst die Zahlen zu betrachten, auch der Arbeitsschwerpunkt vieler Büros, auf vielfältige Weise für die Mandanten Geld zu erstreiten, fremdes Geld, und dieses zügig an sie weiterzuleiten ist ein wichtiger Anlass, zunächst einmal den gesamten Finanzbereich eines Anwaltbüros zu betrachten. Hier gibt es bereits lange Erfahrungen in verwandten Berufsbereichen, z.B. der Steuerberater mit der DATEV.
Vom Anwaltskontenrahmen mit Anwalts-BWA zum Anwalts-Betriebsvergleich
Die Arbeitsgemeinschaft Anwaltsmanagement des Deutschen Anwalt Vereins hat daher mit der DATEV e.G. ein Reihe von Kooperationen und gemeinsamen Projekten in Gang gesetzt, die letztlich dem Ziel dienen, ohnehin vorhandene Daten der Finanzbuchhaltung systematisch auszuwerten, um einen besseren und insbesondere schnelleren Überblick über die wirtschaftliche Lage des einzelnen eigenen Anwaltsbüros aber auch des Berufsstandes insgesamt zu gewinnen.
Etwa 20.000 Anwaltskanzleien lassen ihre Finanzbuchhaltung zumeist durch ihren steuerlichen Berater über das DATEV Rechenzentrum in Nürnberg abwickeln. Das hat den Nebeneffekt, dass bei richtiger Verfahrensweise des steuerlichen Beraters diese Daten anonymisiert für den DATEV Betriebsvergleich im Rechenzentrum verwendet werden können. Mit Hilfe mathematisch statistischer Verfahren ist es gelungen, fünf Größenklassen von Anwaltsunternehmen mit einer signifikanten Anzahl von teilnehmenden Kanzleien zu bilden und darüber statistisch erhebliche Aussagen zu machen:
18.000,00 EUR |
bis |
75.000,00 EUR |
75.000,00 EUR |
bis |
129.000,00 EUR |
129.000,00 EUR |
bis |
210.000,00 EUR |
210.000,00 EUR |
bis |
399.000,00 EUR |
>399.000,00 EUR |
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|
Diese fünf Größenklassen werden derzeit nach der BWA 01, ab etwa Mitte 2002 nach der BWA 44, der Anwalts BWA, ausgewertet. Das BWA Schema 01 ist das Gliederungsprinzip des Bilanzierers. Die BWA 43 ist die Betriebswirtschaftliche Auswertung der allgemeinen Einnahme-Überschussrechnung, letztlich also auch der Anwälte und die Anwalts BWA ist eine spezifische Auswertungsform des Anwaltsbüros. Das Auswertungsschema der Anwalts BWA 44 ist verkürzt dargestellt folgendes:
Erlöse BRAGO |
Fremdleistungen |
Erlöse Zeithonorar |
Gehälter jur. Mitarbeiter |
Erlöse aus sonst. Betriebl. Tätigkeit |
Sonst. Löhne u. Gehälter |
Erlöse steuerpflichtige Auslagen |
Honorare freiber. jur. Mitarbeiter |
Sonstige Erlöse |
Sonst. Personalkosten |
= Summe der Erlöse |
Raumkosten |
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Fahrzeugkosten |
Umsatzsteuer |
Werbe-/Reisekosten |
USt-Erstattungen |
St./Vers./Beitr. |
Erhaltene Anzahlg. |
EDV-Kosten |
-Zugang Forderungen |
Kanzleibedarf |
= Betriebseinnahmen |
Porto, Telefon, Fax |
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Fachliteratur |
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Fortbildungskosten |
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Rechtsberatung |
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Instandh./Abschreibungen |
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Verschiedene Kosten |
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= Summe der Kosten |
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Geleistete Anzahl. |
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Buchw. Anlagenabgang |
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Sonst. Aufwendungen |
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Vorsteuer |
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USt.-Zahlungen |
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-Verr. Kalk. Kosten |
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-Zugang Verbindl. |
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= Betriebsausgaben |
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Vorl. Betr.wirt.Erg. Einn.-Ausgaben-BWA |
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Steuerfreie Auslagen |
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Bestand Fremdgeld |
Aus diesen Positionen wird in geeigneter Gliederung, wie sie aus der BWA bekannt ist, eine Übersicht nach Einnahme– und Kostenarten und eine Übersicht zum Gesamtergebnis der Größenklasse und der Gesamtheit hergeleitet.
Diese Zahlen werden etwa acht Wochen nach dem maßgeblichen Monatsschluss vorliegen und durch die Arbeitsgemeinschaft Anwaltsmanagement des DAV zum einen veröffentlicht und zum anderen für die wissenschaftliche Behandlung gemeinsam mit einigen Universitätsinstituten weiterverarbeitet werden können. Einzelne Anwälte, die über DATEV buchen (lassen), können sich zudem 2 Varianten des Betriebsvergleichs für das eigene Büro ausgewertet bei DATEV ggf. über den steuerlichen Berater bestellen.
Der Vorzug dieser Datenerhebung ist evident: Die Daten der Finanzbuchhaltung werden mit Blick auf die gesetzliche Anforderung einer richtigen Steuererklärung, deren Grundlage ja die Daten der Finanzbuchhaltung sind, in aller Regel zuverlässiger und zutreffender erfasst und aufgeschrieben als Daten, die bei Fragebogenaktionen ermittelt werden. Die hohe – monatliche - Häufigkeit der Datenerhebung ist mit anderen Erhebungsverfahren jedenfalls zu vertretbaren Kosten nicht zu erreichen. Die Dichte der Informationen ist bemerkenswert. Dem Ziel der zutreffenden Abbildung der Geschäftsvorfälle des Berufsstandes in der Finanzbuchhaltung gemäß werden nicht nur einzelne Datenbereiche sondern das Gesamtunternehmen aufgezeichnet und in der Finanzbuchhaltung wiedergespiegelt.
Es war daher konsequent, dass DATEV e.G. und Arbeitsgemeinschaft Anwaltsmanagement des Deutschen Anwalt Vereins sich zunächst darauf verständigt haben, einen gemeinsamen Anwaltskontenrahmen zu entwickeln und insbesondere zu pflegen, der im Rahmen der DATEV gestützten Finanzbuchhaltung durch steuerliche Berater, zukünftig aber möglichst auch für die Finanzbuchhaltungen aller Rechtsanwälte als Vorbild angewendet wird. Damit ist ein Instrument zur Hand, über das die Entwicklung der Zahlen des Betriebsvergleiches weiter verbessert und verfeinert werden kann.
In besonderer Weise ist hier natürlich die Anwalts BWA von Bedeutung, die das Ergebnis der unterjährigen, also der laufenden monatlichen oder quartalsweisen Buchhaltung nach dem Anwaltskontenrahmen zusammenfasst.
Es liegt auf der Hand, dass über dieses sorgfältig gepflegte Instrumentarium zukünftig eine weitere Verbesserung der Aussagekraft der Ergebnisse des Betriebsvergleiches erreicht werden kann, wobei man sich im Klaren darüber sein muss, dass Änderungen des Buchhaltungsverhaltens schwer durchsetzbar sind und immer erst mit dem nächst folgenden Wirtschaftsjahr, bei Anwälten in der Regel dem nächst folgenden Kalenderjahr, begonnen und damit erst in fernerer Zukunft wirken können. Doch gerade deswegen wird es für eine dauerhafte, stabile und ordentliche Rechnungslegung der Anwälte von großer Bedeutung sein, diesem eher spröden Thema große Aufmerksamkeit zu widmen.
Damit ist für die Aufbereitung und Strukturierung die Daten der Finanzbuchhaltung im Anwaltsbüro ein wichtiger Schritt zum informationstechnologiegestützten Kanzleimanagement getan.
Die Zahlen des Betriebsvergleichs eignen sich auch zur Klassifizierung des Branchenverhaltens und ermöglichen die Entwicklung sehr präziser Prognosen. Prof. Jürgen Hauschildt, Christian-Albrechts-Universität Kiel, forschte beispielsweise unter anderem zu "Unternehmens-Rating und Mittelstand" im Zusammenhang mit der Problematik der Kreditvergabepraxis der Banken im Umbruch zum neuen Rating-Verfahren Basel II.
Während das Banken-Rating nach Basel II verständlicher Weise Risikorating, letztlich also das Ermitteln von Ausfallwahrscheinlichkeiten ist, dient heute bereits das Performancerating bei börsennotierten Aktiengesellschaften z.B. der Ermittlung von Kursprognosen. Es gehört nicht all zuviel Fantasie dazu sich vorzustellen, dass in überschaubarer Zeit nach weiterem Vordringen des Rating in Deutschland auch kleine und sehr kleine Unternehmen nach solchen Kriterien beurteilt werden. Das hat aber nicht nur eine möglicherweise bedrohliche Seite, es hilft zum einen Schwachstellen, zum anderen Entwicklungsmöglichkeiten auch in kleinen Unternehmen, wie es Anwaltsbüros traditioneller Weise nun einmal sind, zu ermitteln. Prof. Hauschildt hat eine ganze Reihe von Typen mittelständischer Unternehmen erforscht. Eine besonders markant explosive Mischung mit dem Ziel zur Krise ist folgende:
...“Der unbelehrbare, starrsinnige, uninformierte Patriarch: Falsche Markteinschätzung, schlechtes Planungs- und Kontrollsystem, zehrt von erfolgreicher Vergangenheit...“
Dieser Typ von Unternehmer ist auch unter Anwälten durchaus bekannt. Etwa der Seniorpartner der alteingesessenen und in der Vergangenheit auch erfolgreichen Kanzlei, der als einziger neben den wirtschaftlich bedeutsamen Zahlen natürlich auch noch die wesentlichen Regeln des Sozietätsvertrages kennt, es ist selbstverständlich nichts aufgeschrieben, und seine Kenntnis zum Ärger der jungen Hoffnungs- und Leistungsträger bestenfalls sehr sporadisch weiter gibt.
Ebenso wie es vielfältige Krisenszenarien dieser, durchaus auch noch brisanterer und insbesondere unscheinbarerer Art gibt, finden sich im Gegenteil gleichfalls Szenarien, die Indikator für eine wirtschaftlich positive Entwicklung des Anwaltsunternehmens sind.
Gerade hier gibt es aber in der Analyse bei den in aller Regel ungeschulten Kanzleiinhabern große Unsicherheiten:
Bedeuten stark steigender Umsatz, steigende Mandatszahlen mit korrespondierenden steigenden hohen Aufwendungen namentlich an Personalkosten eine positive oder eine negative Entwicklung der Kanzlei? Sind zahlreiche Standorte einer Kanzlei Indikator des wirtschaftlichen Erfolges oder eher Vorboten einer risikobehafteten Entwicklung?
Bisher dient die verdienstvolle STAR-Studie, die im Auftrag der Bundesrechtsanwaltskammer nun seit einigen Jahren regelmäßig jedenfalls bestimmte Aspekte behandelt als Instrument der betriebswirtschaftlichen Beurteilung solcher Szenarien. Ihr Nachteil ist zweifellos der zeitliche Verzug der Beurteilung, der aus der Art der Datenerhebung herrührt. Der Betriebsvergleich tritt daher keineswegs in Konkurrenz zur STAR Studie, was die Auswertungen anbelangt, er liefert auch ihr soweit als möglich aktuellere Zahlen als bisher.
Die Datenerhebung des Betriebsvergleiches ist bereits jetzt ausreichend umfangreich und zuverlässig, weil sie mit Hilfe von steuerlichen Beratern über die DATEV e.G. in deren Rechenzentrum abgewickelt wird. Zuverlässig ist diese Datenerhebung deswegen, weil die Ausgangsinformationen für den Zweck der Finanzbuchhaltung und damit für die Grundlage der steuerlichen Rechnungslegung vom Anwalt zur Verfügung gestellt werden. Die Falsifizierung von Datenerhebungen für alle denkbaren statistischen Zwecke, nicht zuletzt auch für die STAR-Studie, ist ein aufwendiges und stets riskantes Verfahren. Bei der von uns gewählten Datenerhebung entfällt dieses Problem weitgehend. Ein weiterer und noch viel größerer Vorzug besteht darin, dass diese Datenerhebung über das steuerliche Rechnungswesen der Rechtsanwälte zeitaktuell ist und bleibt. Die Mehrheit der insbesondere hier interessierenden Anwaltsbüros gibt die Umsatzsteuervoranmeldungen monatlich ab. Mit Dauerfristverlängerung und Ausnutzung aller Schonfristen bei schneller Datenübertragung kann davon ausgegangen werden, dass unter Berücksichtigung einer Bearbeitungszeit von etwa zehn Tagen zum Ende des zweiten auf den maßgeblichen Zeitpunkt folgenden Monats die Daten bereit stehen. Es sind aber anders als die Daten der STAR-Studie unterjährige Daten, die im Unterschied zu konsolidierten Jahresdaten entsprechend behandelt werden müssen. Sie sind gleichwohl, hier sollte allseits Konsens bestehen, einerseits von einer bestechenden Aktualität und andererseits, was die Unterjährigkeit anbelangt, von einer relativ unproblematischen Beschaffenheit für den Statistiker.
Daten der Finanzbuchhaltung werden zwar auch im Bereich von reinen Anwaltsprogrammen erhoben. Hier ist aber zum einen die Menge der Teilnehmer – bezogen auf die Finanzbuchhaltung! – geringer als bei DATEV und es gibt insbesondere (noch) nicht die Möglichkeit im Rechenzentrum auszuwerten. Gleichwohl ist es ein wichtiges Ziel, auch die Finanzbuchhaltungen der Anwaltsprogrammhersteller auf absehbare Zeit jedenfalls auf geeignete Weise einzubeziehen.
Entwicklung von Controllinginstrumenten gestützt auf den Betriebsvergleich.
Hier liegt die eigentliche Aufgabe, sobald der Betriebsvergleich und dessen Auswertung zufriedenstellend installiert sind.
Beispielsweise wird es um die Ausleuchtung einzelner Bereiche, wie Kosten und Nutzen von angestelltem juristischen Personal gehen können. Hier gibt es historisches Zahlenmaterial aus den STAR-Studien, hier gibt es denkbare Messungsmöglichkeiten im Rahmen des Betriebsvergleiches und hier gibt es insbesondere in der einzelnen Kanzlei oder in Kanzleigruppen mögliche Messmethoden mit Balanced Scorecards. Damit lässt sich eine Bewertung des Wissenstandes eines Mitarbeiters nach Schulnoten über einen bestimmten Zeitraum durchführen, die in Relation zu seinem Fortbildungsaufwand, also dem Geld- und oder Zeitaufwand der Kanzlei hierfür, gesetzt wird. Balanced Scorecards helfen in einem mit zuverlässigen Zahlen abgesteckten Umfeld sehr, qualitative Elemente ausreichend präzise zu beurteilen.
Das Entwickeln dieser Controllinginstrumente muss natürlich am laufenden Band abgeglichen werden mit der Erhebung der realen Zahlen z.B. im Rahmen des Betriebsvergleiches. In der Arbeitsgemeinschaft Anwaltmanagement entwickeln sich daher im Referat Rechnungslegung und Controlling konsequenter Weise zwei Arbeitsgruppen, die eine, die eher an die Rechnungslegung angelehnt die realen Zahlen insbesondere aus dem Betriebsvergleich erhebt und dafür Sorge trägt, dass die Qualität dieser Zahlen wenigstens gleichbleibend ist, wenn nicht sogar gesteigert wird. Andererseits eine Arbeitsgruppe zum Controlling, die Controllinginstrumente entwickelt und diese Zahlen verwendet. Beide Arbeitsgruppen sind für Interessenten natürlich offen, es ist sogar dringend nötig, dass sich möglichst viele interessierte und natürlich auch in der Sache erfahrene Anwältinnen und Anwälte und auch außenstehende Fachleute beteiligen.
Sehr hilfreich wird es sein, Controllingprojekte mit denjenigen Anwaltsunternehmen zu planen und durchzuführen, die ohnehin vor der Notwendigkeit stehen, Controllinginstrumentarien unmittelbar einzusetzen. Die großen deutschen und die international operierenden Anwaltsunternehmen sind daher von großer Bedeutung für die Weiterentwicklung dieses Instrumentariums. Aufgabe des Deutschen Anwaltsvereins wird es dabei sein, die Umsetzung solcher Erfahrungen auch für die kleineren Anwaltsunternehmen zu gewährleisten.
Eine besondere Bedeutung sehen wir in der wissenschaftlichen Begleitung dieser Aktivitäten. Die Forschung insbesondere im Rahmen der Betriebswirtschaftslehre ist gerade auf diesem Gebiet namentlich bei den kleinen Unternehmen dieser Größenklassen in Deutschland (PISA auch hier ?) wenig entwickelt. In den juristischen Fakultäten der deutschen Universitäten findet, soweit wir es übersehen können, noch nicht einmal ansatzweise eine Diskussion statt. Dort scheint man immer noch von dem Gedanken beseelt zu sein, dass Anwaltskanzleien ebenso wie Justizapparat von selbst funktionieren. Die Realität lehrt uns, dass das bedauerlicher Weise nicht nur nicht der Fall, sondern genau das Gegenteil zu beobachten ist.
Das ist auch der eigentliche Motor dieser Aktivitäten: Die Zivilprozessreform mit ihren Einschnitten in eine gewohnte Prozessumgebung für Anwälte, Richter und andere Beteiligte ist in ihrem Ergebnis gerade für die Anwälte als Unternehmer eine gewaltige Herausforderung. Sie berücksichtigt sicher technokratische Vereinfachungen (elektronischer Rechtsverkehr), stützt sich aber noch nicht auf zuverlässige Zahlen, wie wir sie hier nicht nur reklamieren sondern beginnen zu ermitteln. Hier ist weder Platz noch Absicht, die Zivilprozessreform zu diskutieren oder gar zu kritisieren. Das ist an anderer Stelle ausreichend geschehen. Gleichwohl führt kein Weg daran vorbei, den Ablauf eines Zivilprozesses, der die anwaltliche Tätigkeit aus anwaltlicher Sicht sowohl von den Kosten als auch vom Betrag her prägt, sorgfältig auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu untersuchen. Vielleicht ein Tipp an die Damen und Herren Gesetzgeber, in großer Mehrheit ja Juristen: Seht Euch doch einfach erst mal die Zahlen an und lasst euch vorrechnen, was mit der Realisierung Reform passieren wird. Man kann das alles ausrechnen (wenn man rechnen kann).
Hier wird es nötig werden, die korrespondierenden Arbeitsabläufe in der Justiz gleichfalls unter die Lupe zu nehmen. Es ist sehr zu hoffen, dass die durchaus bemerkenswerten Ansätze in der Justiz sich weiter entwickeln und dass der Austausch mit der Anwaltschaft intensiver wird. Die Anwälte werden aus den zunehmend intensiveren Kenntnissen des Arbeitsablaufes und der Kosten, die damit verbunden sind, Forderungen an die Justiz stellen müssen, damit sich dort etwas bewegt. Es liegt z.B. auf der Hand, dass das Verwalten von Gerichtskostenmarken aus einer Vielzahl von Gründen für Anwälte schlicht unlukrativ ist. Die Justiz wird sich also darauf einstellen müssen, dass die Anwälte aus Kostengründen Gerichtskostenvorschüsse für Mandanten überweisen. Das ist effektiver für beide Seiten, wenn jeder die Technik dieser Verfahrensweise beherrscht. Noch problematischer sind für beide Seiten unkoordinierte Verhandlungstermine, die immer wieder neu verlegt werden müssen und damit den zügigen Ablauf des Verfahrens sehr beeinträchtigen. Das ist nicht zuletzt sowohl auf Seiten der Justiz als auch auf Seiten der Anwälte ein nicht unerhebliches finanzielles Problem. Ein Ergebnis effektiven Controllings wird es nämlich sein, solche Zeit- und Kostenfresser ausfindig zu machen. Mit dem Betriebsvergleich werden wir bald wissen, wie viel Zeit ein durchschnittlicher Verkehrsunfall, ein normales Ehescheidungsverfahren etc. bis zur erstinstanzlichen Entscheidung verbraucht und was das abzüglich der Kosten dem Anwalt als Ertrag bringen muss.
Heute bereits auf die Daten des Betriebsvergleiches gestützte Controllinginstrumente wird man bei intensiverer Betrachtung als lediglich rudimentär bezeichnen können. Der Weg zu einem effektiven Controlling ist gleichwohl konsequent. Heute wird es vermutlich nur in einer kleineren Anzahl relativ großer Anwaltsunternehmen wirtschaftlich sinnvoll sein, eine eigenständige Kosten- und Leistungsrechnung zu etablieren, die originäre, dem Controlling dienende Daten liefert. Daraus werden dann aber auch zuverlässige Zahlen für die eben angesprochenen Prozesse ableitbar sein.
Die Anwälte sollten diesen Weg mit klarer Übersicht über Kosten und insbesondere Erträge ihrer Berufstätigkeit gehen, da sie sich sonst in der nächsten Kostenfalle verfangen werden. Sie müssen diesen Weg gehen, weil sie anderenfalls in überschaubarer Zeit zum einen nicht mehr wirtschaftlich arbeiten können, andererseits aber von der Justiz, die ja in gleichen Kostenzwängen, eigentlich in noch viel dramatischeren, steckt, leicht völlig unnötig aus der Sicht der Anwälte übervorteilt werden würden mit Kosten, die zu übernehmen einfach nicht einzusehen ist. Der auf den ersten Blick so simple Anwaltskontenrahmen führt über den Betriebsvergleich der Rechtsanwälte zu einem wichtigen Datenbestand, der gerade für diese Controllingzwecke eine entscheidende Basis sein wird. Wenn die Anwälte sich mutig der Herausforderung stellen, werden sie in überschaubarer Zeit ihre Marktposition deutlich verbessern können.
Wir werden z. B. Mittelherkunfts- und Mittelverwendungsrechnungen etablieren können, die präzise aufzeigen, ob die Geldflüsse in einem Anwaltsunternehmen transparent sind, welche Geldquellen also für welche Mittelverwendungen eingesetzt werden. Der Betriebsvergleich ermöglicht die Vergleichsrechnung mit einem entsprechenden Anwaltsunternehmen.
Die Anwälte werden in den nächsten Jahren alle Kraft konzentrieren müssen, um sich im wandelnden Beratungsmarkt mit stabilen Unternehmen behaupten zu können. Die ZPO Reform hat gezeigt, wie das über Jahrzehnte scheinbar unumstößliche Prozessgeschäft kurzerhand innerhalb eines unvorstellbar kurzen Zeitraums erheblich reduziert werden konnte. Wir müssen also in der Lage sein, neue Beratungsprodukte und Marktbereiche in der Rechtsberatung zu etablieren. Das setzt voraus, dass wir deren wirtschaftlichen Erfolg vernünftig prognostizieren können. Das teure große neue Büro mit neuem teuren Personal am neuen Standort, immerhin eine durchaus über Jahre praktizierte und nicht zwingend erfolglose Methode, wird sich in Zukunft wenigstens kaum mehr anbieten.
Wir bekommen mit dem Betriebsvergleich ein Instrument zur Analyse der Anwaltsunternehmen und des Marktes, wie es uns bisher nicht zur Verfügung stand. Nutzen wir es.
RA Jürgen Schneider, Hamburg